Lecture Room 301

  • Lecture Room #301

    Der Lecture Room #301 befindet sich im dritten Stockwerk des zentralen Campus der Mugyenyi University. Er wird vorwiegend von der Philophischen Fakultät genutzt.


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  • Wie immer schlecht gelaunt schlürft Monke an das vordere Ende des Raumes. Als er sich umdreht ersterben die Gespräche der Studenten langsam.


    Fundamental Philosophy. Let's get started.


    Die Realität. Was ist das? Dieser Gentleman isst gerade einen Apfel.


    Monke deutet auf einen Studenten in einer der hinteren Reihen, der sich, als sich alle seine Kommilitonen zu ihm umdrehen, fast an seinem Apfel verschluckt.


    Woher weiß er, dass der Apfel real ist? Wer sagt ihm, dass seine Nerven ihm nicht nur vorgaukeln, dass er einen Apfel isst? Konstituiert sich die Wirklichkeit durch die Menge unserer Sinneseindrücke? Was ist dann mit Strahlung? Die können wir mit unseren natürlichen Sensoren nicht wahrnehmen. Dennoch ist sie ja irgendwie existent und interagiert mit den Dingen, die wir sehen und anfassen können. Daran schließt sich dann sofort die Frage an: Sehen wir die Welt wie sie ist oder ist sie gar so weil wir sie so sehen?


    Stellen Sie mal einen Stift in ein Wasserglas. Wenn Sie von der Seite hineinsehen, dann wird das Licht gebrochen. Der Stift scheint einen Knick zu haben. Jetzt wissen wir aber, dass sich der Stift nicht verändert hat. Er bekommt keinen Knick nur weil er im Glas steht. Dennoch sehen wir die Verformung, also lässt sie sich nicht wegdiskutieren. Sie ist da. Genauso wie der Fakt, dass der Stift noch immer gerade ist. Erst mithilfe der Optik können wir beide Fakten miteinander in Einklang bringen. Aber es dauerte bis wir Menschen die physikalischen Gesetze dazu erdachten. Blenden Sie dieses Wissen mal kurz aus. Was beschreibt denn für den Steinzeit-Menschen die Realität? Der Stift - oder in dem Fall Stock, der unverformt im Wasser steht oder sein Auge, das eindeutig eine Verformung anzeigt?

    Die Suche nach der Wirklichkeit ist eine verzwickte Sache, nicht wahr?

  • Zufrieden über das verdutzte Schweigen im Raum setzt sich Monke in einen Stuhl.


    Gehen wir zurück in der Zeit. Platon - schon gehört? Die Frage ist nämlich nicht neu. Schon der Altmeister hat darüber philosophiert.


    Stellen Sie sich eine Höhle vor. Tief, tief im Herzen eines Berges. Darin leben nun, sagen wir, drei Personen.


    Monke deutet auf drei Studenten in der ersten Reihe.


    Sie drei sind gefesselt und müssen den ganzen Tag auf die Höhlenwand starren. Dort läuft tagein-tagaus ein schwarz-weiß Streifen ab. Seit ihrer Geburt ist das so. Was passiert? Diese Umgebung wäre also ihre Wirklichkeit.


    Der Professor pickt sich eine Studentin mit einer pinken Strähne im Haar heraus.


    Aber Sie da, ja genau Sie. Sie sind nicht zufrieden damit und wollen weg. Darum reißen Sie sich los und Sie schaffen es tatsächlich zum Ausgang der Höhle. Dort erwartet Sie dann das unglaubliche. Ein dreidimensionale Welt in Farbe. Unglaublich, oder? Sie kennen doch den Film Matrix - so in etwa kann man sich das vorstellen, richtig?


    Kehrten Sie nun zu den anderen beiden zurück und würden ihnen erzählen was sie gesehen hätten - was würde passieren? Richtig, sie würden ausgelacht werden und wahrscheinlich würden die beiden Ihnen kein Wort glauben.

  • Was zeigt uns das Gedankenexperiment?


    Platon behauptete, dass unsere Wirklichkeit auf Ideen basiere. Alles was wir wahrnehmen sind nur Abbilder der Realität. Jetzt war eine Idee aber für ihn mehr als die umgangssprachliche Bedeutung des Wortes. Für ihn war sie das Wesen aller Dinge. Diese Denkschule bezeichnen wir heute als Idealismus.


    Monke lässt seine Fingerknöchel knacken und fügt gelangweilt hinzu.


    Schreiben Sie sich das auf. Dazu wird es für sie alle Lektüre zu lesen geben.


    Wo waren wir? Idealismus, richtig? Ja, die Theorie darüber, dass in uns drin die Wirklichkeit steckt. Unseres Inneres, unsere Vorstellungen formt die Realität. Das heißt nicht, dass ich fliegen kann, wenn ich denn nur fest genug daran glaube. Aber das Konzept vom Fliegen, das kann nur in uns drin durch Erkenntnis und Denken entstehen. Fragen Sie einen Idealisten danach was ist, wird er Ihnen antworten: Alles, was Sie denken können.


    Dagegen steht der Materialismus. Die Anhänger der Bewegung sehen die Wirklichkeit ausschließlich als Materie und deren Wechselwirkungen an. Der Unterschied zum Idealismus besteht darin, dass unser Denken nicht konstituierend für die Realität ist. Sie ist da, auch wenn wir nicht denken würden. Wir müssen uns ihren Gesetzen unterwerfen und sind nur eine kleine Kugel in einem kosmischen Flipperautomaten. Statt in uns, ist die Wirklich da draußen. Der Materialist beantwortet die Frage danach was ist mit einem klaren: Alles, was aus Materie beschaffen ist.


    Wer hat Recht? Wie immer in der Philosophie: Niemand und jeder. Die Wirklichkeit zu erklären ist eben gar nicht so einfach wie man denkt.

  • Monke kommt wie jede Woche in den Grundkurs und schreibt direkt nach dem Eintreten ETHICS an die Tafel. Es dauert eine Weile bis die Studenten sich beruhigt haben, dann erhebt Monke die Stimme.


    Wer sagt uns eigentlich, dass wir gut sein müssen? Schlagen das mal im Lexikon nach. Da steht dann das lustige Wörtchen Ethik daneben. Das alleine ist eigentlich noch kein Grund, aber die Stümper der Redaktionen versuchen leider komplexe Dinge auf zwei Sätze herunterzubiegen. Das kann nur schiefgehen. Dabei bietet der Begriff genug Stoff um ganze Lebenszeiten zu füllen. Sei's drum. Wir haben hier auch nur viel zu wenig Zeit dafür. Also lassen Sie uns starten.


    Alles angefangen hat, wie fast alles in der Philosophie, schon in der Antike. Es gab schon damals erste Überlegungen von der idealen Gesellschaft und deren Regeln. Zum Beispiel einer Gesellschaft, die ihre Taten vom Wohl des Anderen abhängig macht. Aristoteles nannte das damals "Die Grundlehre des menschlichen Tuns".


    Und da fängt es schon an kompliziert zu werden. Auch die Kreuzritter waren der Überzeugung für das Wohl der Anderen einzustehen. Schließlich mussten die Anderen bekehrt werden um deren Seelen zu retten. Es ist also irgendwie subjektiv. Dann gibt es da noch die Dinge, die eindeutig in allen Bewertungsskalen als schlecht einzuordnen sind. Kriege sind so ein Beispiel. Warum tun wir Menschen das?


    Es gibt die Ansicht, dass alle Menschen gut und unverdorben geboren sind. Erst die Gesellschaft formt sie zu jenen Individuen, die eindeutig böses tun. Das gute alte "Er oder sie hatte eine schlechte Kindheit" Argument. Eine radikal andere Sichtweise vertreten jene, die das Böse als Überbleibsel unserer tierischen Vorfahren ansehen. Sie sind der Ansicht, dass nur die menschlichen Gesellschaft und deren Werte die Macht hat, diese Triebe im Zaum zu halten. Abschreckung durch Androhung von Strafen zum Beispiel.


    Beide Sichtweisen finden Sie heute noch in allen Gesetzen rund um die Welt. Denn keine ist so ganz von der Hand zu weisen. Es hat auf jeden Fall etwas mit der Gesellschaft zu tun, denn erst durch die Gemeinschaft werden wir zu Individuen und zu Menschen.


    Ethik, die Lehre vom sittlichen Verhalten, ist am Ende eine verworrene Mischung aus menschlichen Werten, Sehnsüchten, Tugenden und Instinkten.


    Als Klausurvorbereitung lesen Sie bitte das Kapitel zu Ethik aus ihrer Grundlagenliteratur, die vor dem Lehrstuhlsekretariat aushängt.